Institut für Mathematik
Lehrstuhl für Didaktik der Mathematik

   

Aus dem Briefwechsel von Friedrich Prym
Briefwechsel mit  Aurel Voss
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Quelle
Transkript

Brief von Aurel Voss an Friedrich Prym: 13. Februar 1891

Zusatz: Abschrift einer Nachricht von Aurel Voss an Friedrich Prym
vom 5. März 1891


beantw. 10. März 1891 [Anmerkung Prym]

München 13/2 91

Hochverehrter Herr College

In Erwiderung Ihres geehrten Schreibens gestatten Sie mir zunächst die vertrauliche Mittheilung, daß ich sehr gerne einem Rufe nach Würzburg Folge leisten würde. Seit dem Jahre 1875 – ich bin gegenwärtig 45 Jahre alt und befinde mich seit Ostern 1869 in fester Stellung – bin ich an drei verschiedenen technischen Hochschulen als ord. Prof. der Math. thätig gewesen. Ich habe aber mehr und mehr die Ueberzeugung gewonnen, daß es auf die Dauer immer schwieriger wird, neben einer angestrengten und verantwortungsvollen Thätigkeit (ich habe gegenwärtig über 200 Zuhörer) noch eine rein wissenschaftliche Aufgabe als Lehrer und auf literarischem Gebiete, wie ich das bisher versucht habe, zu erfüllen. Außerdem bin ich der Ansicht, –  und diese ist auch nicht durch den Umstand, daß ich selbst vielseitige Anerkennung in meinem Unterricht gefunden habe erschüttert –, daß unseren technischen Hochschulen die wesentlichen Bedingungen fehlen, unter denen überhaupt die Aneignung eines rein wissenschaftlichen Faches möglich ist. Ich habe daher seit langer Zeit den lebhaftesten Wunsch gehabt, an einer Universität Stellung finden zu können, obwohl ich mir dabei nicht verhehle, daß derselbe eventuell mir sehr große materielle Opfer auferlegen würde.

Nehmen Sie vor allem meinen herzlichen Dank für das Vertrauen, mit dem Ihre Anfrage mich beehrt hat. Auch mir würde es eine große Freude bereiten, neben Ihnen zu einem gemeinsamen Zwecke thätig zu sein. Die einzige Schwierigkeit, soweit es von mir abhängt, dürfte in der That in meinen Gehaltsverhältnissen liegen. Vor 5-6 Jahren wurde ich hierher mit einem Gehalt von 5600 M berufen, wozu inzwischen 360 M. Zulagen gekommen sind; meine Collegienhonorare betragen allein in die­sem Wintersemester über 2000 M. Mein Gesamt­einkommen ist also sehr beträchtlich höher, als die Summe die Sie zunächst genannt haben. Daß mir dieser Umstand nicht ganz gleichgültig sein kann, werden Sie nicht befremdlich finden, da ich außer eigenen Ersparnissen kein nennenswerthes Vermögen besitze. Ich würde nun keine Schwierigkeit darin sehen, auf die Einnahmen aus den Collegienhonoraren zu verzichten, wenn ich für dieselben nicht in keiner anderen Stellung ein Aequivalent finden könnte, also jedenfalls diese meinen Wünschen zum Opfer bringen müßte. Würde sich aber mein Jahreseinkommen bis auf einen Betrag erniedrigen, der kaum größer ist als das was ich schon vor 16 Jahren bezog, so würde das nicht allein meinem ganzen Haushalt, meinen Angehörigen ungewohnte Beschränkungen auferlegen, es würde mir auch fast mißlich erscheinen, bis zu diesem Grade mich gleichgültig gegen so manches zu erweisen, was mir, abgesehen von der steigenden Abneigung gegen die Thätigkeit am Polytechnikum, hier in München werth geworden ist.

Ich darf indessen nach Ihren eigenen Worten vielleicht die Hoffnung hegen, daß der Zustand der bei Ihnen verfügbaren Mittel ein etwas günstigerer ist. Ich ersuche Sie daher freundlichst, sich genau darüber zu vergewissern, ob es nicht möglich sein würde, mir etwas günstigere Aussichten zu bieten. Gewiß habe ich doch nach so langer Arbeit Erfahrungen im Unterricht gesammelt, die auch dem von mir zu vertretenden Fache in anderer Weise zu Gute kommen müßten, als dies bei einem ganz jungen Anfänger möglich sein würde. Im allerungünstigsten Falle würde ich allerdings in einer Alternative stehen, deren Entscheidung Sie in diesem Augenblick nicht schon von mir verlangen werden.

Verzeihen Sie hoch verehrter Herr College, daß ich nur von diesen geschäftlichen Dingen geschrieben habe, die Ihnen aber jedenfalls nicht unbekannt bleiben durften. Ueber meine Neigungen und Wünsche werden Sie nach dem vorigen im Klaren sein; möge es Ihnen gelingen, zu bewirken, daß es mir nicht zu schwierig erscheint, Ihnen zu folgen.

Mit ausgezeichneter Hochachtung

Ihr ergebenster

Dr. A Voss

 München Leopoldstr. 13b I


Abschrift

Mittwoch 5/3 1891

Hochverehrter Herr College!

Im Anschluß an meine Antwort auf Ihr geehrtes Schreiben vom 11. crts. [des laufenden Monats] erlaube ich mir noch hinzuzufügen, daß ich, wenn es die Verhandlungen bei Ihnen erleichtern könnte, soweit wie irgend nur möglich von jeder Rücksichtnahme auf materielle Interessen abzusehen bereit bin.

Mit ausgezeichneter Hochachtung

Ihr ergebener

Dr. A. Voss


[Fakultät] [Institut für Mathematik

Verantwortlich:  Prof. Dr. Hans-Joachim Vollrath, Universität Würzburg
 e-mail: vollrath@mathematik.uni-wuerzburg.de