Institut für Mathematik
Lehrstuhl für Didaktik der Mathematik

   

Aus dem Briefwechsel von Friedrich Prym
Briefwechsel mit  Rudolf Sturm
Brill Dorn Lindemann Noether Staude Sturm Voss
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Transkript

Brief von Rudolf Sturm an Friedrich Prym: 19. März 1891


beantw. 21. März 1891 [Anmerkung Prym]

Münster i. W. , den 19. März 1891.

Hochgeehrter Herr College,

Empfangen Sie in erster Linie für Ihren liebenswürdigen Brief vom 11. meinen herzlichsten Dank und entschuldigen Sie gütigst, wenn ich nicht umgehend auf denselben geantwortet habe. Auch der ganzen math. naturw. Abtheilung Ihrer Facultät danke ich ergebenst, daß sie mir die Ehre erwiesen hat, mich einstimmig und an erster Stelle für die erledigte Professur vorzuschlagen, und ersuche Sie ergebenst, wenn sich die Gelegenheit bietet, diesen Dank auszusprechen.

Wenn ich nicht umgehend geschrieben habe, so lag es daran, daß ich schwankend gewesen bin, ob ich Sie jetzt schon mit einigen Fragen belästigen darf, und über diesen Schwankungen sind dann zu meiner eigenen Verwunderung nun die 8 Tage, seit ich Ihren Brief empfangen habe, vergangen. Mitschuldig an meiner Säumigkeit ist freilich eine Arbeit, mit der ich zur Zeit beschäftigt bin und die ich in den Ferien ein gutes Stück vorwärtsbringen möchte, insbesondere, da ich möglicherweise gegen Ende derselben verreisen muß. Ich bin nämlich seit längerer Zeit mit der Abfassung eines Buchs über die Gebilde 1. und 2. Grades der Liniengeometrie (in synthetischer Darstellung) beschäftigt, und es wäre mir angenehm, wenn ich mit dem zweiten Theile desselben, den Strahlencongruenzen 2. Ordnung, in den Ferien fertig werden könnte.

Ihrem Rathe, sobald der Ruf an mich gelangen sollte, nach Würzburg zu kommen, werde ich wohl, wie ich eben angedeutet habe, Folge leisten; aber über einige Dinge kann man sich doch schon brieflich orientieren. Man muß auch nicht alles bis auf den letzten Augenblick aufschieben; diese oder jene Auskunft könnte dann vielleicht nicht so umgehend beantw zu geben sein, weil genauere Information vorher erforderlich ist.

Ihre Äußerung, daß Sie und Ihre Herren Collegen von der math.-nat. Abtheilung es sehr beklagen würden, wenn ich (meine Berufung mit Uebersiedlung natürlich vorausgesetzt) später in Würzburg das nicht fände, was ich erwartete, giebt mir nun den Muth, Ihnen einige Fragen zur gütigen Beantwortung vorzulegen, zu denen ich aus durch Unbekanntschaft mit den bairischen Verhältnißen veranlaßt wurde.

1) In Preußen werden die Universitäts-Professoren nicht pensioniert; sie erhalten ihr Gehalt bis zum Tode, auch wenn sie nicht mehr ihre Thätigkeit ausüben. Einige süddeutsche Staaten pensionieren; ich weiß nicht, ob Baiern zu ihnen gehört. Ist es der Fall, dann spielt natürlich die Dienstzeit eine Rolle. In Preußen wird bei Berufungen die Anstellung an irgend einer deutschen Universität berücksichtigt; danach wird man hier rangirt. In Hessen wurde ich, weil dort auch pensioniert wird, sofort nach meiner Dienstzeit als preussischer Gymnasiallehrer gefragt, damit mir ev. dieselbe angerechnet werden konnte. Ich habe nun eine Dienstzeit seit Herbst 1863, oder wenigstens Ostern 1865, wo ich zum ersten Male vereidigt worden bin; bis 1872 am Gymnasium zu Bromberg, dann bis 1878 an der technischen Hochschule in Darmstadt, seitdem hier.

Sie haben, wie ich aus den Berufungen von Kohlrausch und Brill nach Baiern weiß, auch einige Jahre noch nicht definitive Anstellung; etwas bedenklicher hat es auch sieht das aus, Brill gegenüber aber hat sich nun freilich der Referent im Ministerium geäußert, daß das ganz unbedenklich ist. Aber ist denn nicht wenigstens daraus zu schliessen, daß die nichtbairische Dienstzeit nicht angerechnet wird?

2) Die Versorgung der Hinterbliebenen der Universitätslehrer ist neuerdings in Preussen geordnet und nicht ungünstig. Man erzählt z. B. daß [Wilhelm] Förster in Berlin einen Ruf nach Leipzig, trotz höheren Einkommens, nicht angenommen habe, weil in Sachsen für die Hinterbliebenen nicht so gesorgt wird, wie in Preussen. Die Versorgung in Baiern soll gut sein; aber Sie werden mir es nicht verdenken, wenn ich Genaueres über dieselbe wissen möchte: Betrag des Witwengeldes, der Waisengelder, bis wie lange die Kinder versorgt werden (in Preussen bis zu 21 Jahren).

3) Ist an den Doctorgeldern die ganze Facultät oder nur die betreffende Section betheiligt? Doch das ist wohl unwesentlich.

4) Ich weiß, bei Ihnen wird nicht gestundet, sondern ev. erlassen. Jedenfalls ist das günstiger als bei uns; freilich zur Zeit spielt diese ganze Sache bei der geringen Zahl der Mathematik-Studierenden an den meisten Universitäten keine Rolle.

5) Ich darf wohl annehmen, daß Ihre Bibliothek noch besser ist als die unsrige; immerhin ist es doch möglich gewesen, da wir hier für das Seminar einen jährlichen Credit haben, auch für das Seminar noch eine hübsche Bibliothek anzulegen, zum Theil in Ergänzung der Universitäts Bibliothek, so daß wir im großen Ganzen zufrieden sein können, so das z. B. beide Bibliotheken zusammen etwa 17 rein oder vorzugsweise mathematische Zeitschriften halten.- Der Seminar-Fonds hat es auch ermöglicht, eine nicht übergroße, aber doch im allgemeinen genügende Sammlung von geometrischen Modellen anzuschaffen.

6) Nun kommt eine etwas heikle Frage: wegen des Gehalts. Reye, mit welchem Herr Röntgen conferirt hat, spricht davon, daß nur 4200 M an Gehalt verfügbar seien. Da ist mein hiesiges festes Einkommen (zu dem als nicht sicheres z. B. noch die Remuneration für Mitgliedschaft in der wissensch. Prüfungs-Commission, in welcher ich bis jetzt alle 2 Jahre mit einem Collegen gewechselt habe, hinzu kommt) Ihrer Facultät bekannt ist und dieselbe nicht Abstand genommen hat, mich vorzuschlagen, so muß diese Ansicht von den nur verfügbaren 4200 Mark doch wohl eine nicht richtige sein. Ein natürlicher Wunsch von mir ist es ja, daß ich mit einer Berufung in meinem Einkommen weiter kommen möchte; auch Reye schreibt: „Niemand erwartet, daß Sie nach Würzburg gehen ohne Erhöhung Ihres Einkommens.“ Das ist nun freilich ein Punkt, in dem ich vor allem, falls es zu meiner Berufung und Reise nach W[ürzburg] kommen sollte, Ihres freundschaftlichen Rathes beanspruchen werde müssen. Ich bemerke übrigens, daß Reye in dieser Angelegenheit den ersten Brief geschrieben hat. Ich selbst habe nicht verfehlt, Ihrem Wunsche der Geheimhaltung zu entsprechen.

Sie wünschen zu wissen, warum Bachmann seine Professur niedergelegt hat. Das ist leider eine sehr unangenehme Sache: er ist seiner Frau untreu geworden und hat es fürs beste gehalten, sich von hier deshalb zu entfernen. Uebrigens ist für Frau und Kinder von ihm, da er vermögend ist, soweit ich orientiert bin, gut gesorgt worden. Einen Nachfolger haben wir für ihn noch nicht erhalten, zu meinem und der Facultät großem Bedauern, da die Vacanz nun schon 1 Jahr dauert.

Für die Uebersendung der Dissertation von Schleicher meinen ergebensten Dank. Mit der Versicherung vorzüglicher Hochachtung und collegialem Gruße

Ihr

ergebenster

Sturm.



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