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Briefentwurf in Kurzschrift von Friedrich Prym
an Ferdinand Lindemann: 12. März 1891
Entwurf in Gabelsberger
Kurzschrift
Transkription: Hans Gebhardt
Hochgeehrter Herr Kollege!
Empfangen Sie vor allem meinen verbindlichen Dank für die umgehende
Beantwortung meines Telegramms vom 19. pass. [vergangenen Monats] und für
Ihren darauf folgenden ausführlichen Brief vom 20. Feb. und entschuldigen
Sie gütigst, daß ich erst heute, nachdem die
Ferien begonnen, Ihnen schreibe. Es war mir früher nicht möglich, da die
Berufungsangelegenheit und die damit verbundene umständliche Korrespondenz
neben den Vorlesungen meine ganze Zeit in Anspruch nahmen.
Sehr hat es mich gefreut, wieder einmal direkt etwas von Ihnen zu hören.
Wie mir scheint, sind Sie im allgemeinen mit Ihrer
dortigen Stellung zufrieden. Schatten neben dem Lichte gibt es ja überall,
und was die in den letzten Jahren eingetretene Abnahme der Schülerzahl
betrifft, so klagen darüber wohl ausnahmslos alle Ihre an preußischen
Universitäten tätigen Kollegen. Hier in Bayern scheint jetzt das Schlimmste
überstanden zu sein. Die Kandidaten der früheren Jahrgänge sind zum größten
Teil versorgt und es findet wieder ein großer Zugang zu den math. Studien
statt. Davon profitiert natürlich in 1. Reihe München. Erlangen und
Würzburg dagegen sind, weil die Examen sämtlich in München gemacht werden,
noch immer die Stiefkinder. Und wenn wir nicht einige P[rüfungen]
regelmäßig hätten, so sähe es auch hier schlecht aus. Diesen Winter hatte
ich in meiner Vorlesung über Differential-Rechnung seit längerer Zeit
wieder 8 Zuhörer von denen 6, nämlich 4 Ph., 1. Chemik. und 1 Mathematiker bis zum Schluß ausgehalten haben. Diese 5 werden auch im
Sommer Integralrechnung bei mir hören
Nun zu der Hauptsache. Leider sind für die
Wiederbesetzung der durch den Hingang von Prof. M[ayr]
erledigten Professur nur M 4200 aus Universitätsmitteln vorhanden, und
wenn auch der Fall nicht ausgeschlossen ist, daß
das Ministerium, sobald es sich um die Gewinnung einer 1. Kraft handelt,
vielleicht bis auf 5000, sagen wir sogar bis 5600 gehen wird, so ist
andererseits ein noch höheres Hinaufgehen ganz unmöglich. Unter
diesen Umständen können wir zu unserem großen Bedauern nicht auf Sie refl.,
sondern müssen unser Augenmerk auf solche Mathematiker legen, die ein
geringeres Gehalt beziehen, und deren gibt es, wenn man eine schon erprobte
Kraft gewinnen will, nur sehr wenige. Von den Ordinarien kämen sowohl Sturm, der
eine Gesamteinnahme von M 5600 hat, und Voß, dessen Gehalt M 5600 beträgt und der vielleicht, um an eine
Universität zu gelangen, auf die Coll. Einnahmen
verzichten würde, in Betracht. Schur würde vielleicht auch kommen, trotzdem
er ein Einkommen von etwa M 8000 in Dorpat haben
soll, da die Verhältnisse dort wohl keine angenehmen sind und jeder gern
von dort wieder weggeht. Fr[anz] M[eyer] in Cl[austhal] ist
jedenfalls zu bekommen, da seine jetzigen Einnahmen M 4200 nicht erreichen.
Wir haben über ihn sowohl von Herrn Brill wie von Herrn Reye
die günstigsten Auskünfte erhalten. Sehr bedauern wir, daß wir Herrn
Hurw[itz] der uns von den verschiedensten Seiten aufs wärmste empfohlen war,
nicht in Vorschlag bringen können. Aber wie hier in dem alten Würzburg die
Verhältnisse einmal liegen, ist es ganz unmöglich, einen Israeliten
durchzubringen.
Für Ihre guten Mitteilungen über die Herren Hilb[ert] und Schur danke ich Ihnen auch noch vielmals.
Sehr würde es mich gefreut haben, wenn Sie diesen Sommer Ihren Plan, mich
hier einmal zu besuchen, ausgeführt hätten. Vielleicht läßt
derselbe sich im Laufe der nächsten Jahre einmal verwirklichen. Ich möchte
Sie gerne einmal wiedersehen. Ihr früherer Coll[ege] in K[önigsberg],
Herr [Carl Wilhelm] Schönborn hat mir wiederholt von Ihnen erzählen müssen.
In der Familie ist es mir, Gott sei Dank, alles nach Wunsch gegangen. Ich
habe 4 Töchter, von denen die 3 ältesten schon auf der Welt waren, als Sie
hier bei uns weilten.Sie sind jetzt 22, 20 und 18
Jahre alt. Die 4. dagegen, ein Nachkömmling, wird im nächsten Monat 8 Jahre
alt.
Seit 1882 bewohne ich auch ein eigenes Haus, das nicht weit vom Bahnhof
entfernt an der Bahn liegt. In den Osterferien bin ich meistens hier
geblieben. In den Herbstferien habe ich dann den August mit meiner Familie
in einer Sommerfrische im Schwarzwald und in Thüringen zugebracht, bin auch
zweimal an der Nordsee gewesen, 1880 September und im vorigen Jahr in [?] -
Sept, bin ich gewöhnlich in Düren oder in Bonn bei meinem Bruder.Ich hoffe, daß es auch
Ihnen in der Fam. gut geht.
Meine Frau, die sich noch lebhaft [Satz ist nicht zu Ende geführt]. Sollten
Sie U. sehen, so grüßen Sie ihn von mir. Im Herbst müssen [Satz nicht zu
Ende geführt]
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