Kirchliche Zeitrechnung
Aus: Kaspar Schott: Organum mathematicum, Nürnberg 1668
Übersetzung: Pater Alban Müller SJ


Die Chronologie bzw. die Wissenschaft von der Zeit, kann man in drei Teilen  darstellen, je nach einer der drei Zeitrechnungen, die man in Betracht ziehen will, nämlich der astronomischen, der bürgerlichen und der kirchlichen
Jede derselben unterscheidet im Hinblick auf bestimmte Aspekte, regelt die Zeitrechnung  für unterschiedliche Zwecke und rechnet nach verschiedenen Methoden. Deshalb hat jede der Zeitrechnungen  verschiedene Einheiten wie Minute, Stunde, Tag, Woche, Monat, Jahr, Lustrum (ein Zeitraum von 5 Jahren), verschieden Zyklen und Perioden, verschiedene Epochen bzw. Ursprünge und andere ähnliche Bestandteile, wie wir sehen werden. 
Diese Wissenschaft ist der genuine Ursprung der Astronomie, das edelste und nützlichste mathematische Gebiet, und gänzlich so beschaffen, daß Fürsten und Adelige sie studieren müssen, wie einst die Könige der Römer Romulus, Numa Pompilius, Julius Caesar, Konstantin der Große und nicht wenige andere Fürsten. 
Es ist allen Gelehrten bekannt, von wie vielen krassen Irrtümern der Julianische Kalender wimmelte, den die katholische Kirche von den Zeiten der Apostel bis zum zweiundachtzigsten Jahre des vorigen Jahrhunderts gebrauchte, der in einigen Nordischen Königreichen und Provinzen heute noch in Gebrauch ist. 
Es ist bekannt, mit wie großem Eifer und Einsatz, mit wieviel Aufwand und Kosten der römische Papst Gregor XIII. in dem genannten Jahr jenes Jahrhunderts jenen korrigierte, nachdem die gelehrtesten Mathematiker der römischen und der christlichen Welt befragt worden waren, und Kaiser, Könige, Fürsten sowie die berühmtesten Universitäten zugestimmt hatten.  Wie der Gregorianische Kalender (der nach dem Namen des Papstes benannt ist) den den Beifall aller Gutwilligen fand.
Auch ist bekannt, wieviel Streit und Konflikte die Reform unter den Gelehrten entfacht hat, welche Schriften voller Bitternis sie vielen entlockt hat. 
Es ist auch nicht unbekannt, mit welch inständigen Bitten nicht von der Masse, sondern von der Schar der Gelehrten, ja selbst von den höchsten Fürsten gewünscht wurde, daß ein und dieselbe Zeitrechnung, ein Kalender, im staatlichen wie im kirchlichen Bereich des römischen Kaiserreiches und darüber hinaus in dem Staatsgebilde des ganzen christlichen Erdkreises von allen benützt wird, und so die Wirrungen und die Unannehmlichkeiten, die aus dieser Verschiedenheit bisher entstanden sind und noch täglich entstehen, beseitigt würden. 
Es ist mir nicht verborgen, daß es der Wunsch vieler Fürsten ist, daß diese Angelegenheit bei den Zusammenkünften des Römischen Reiches, zu denen dessen Fürsten sich des öfteren zusammenfinden, zur Behandlung vorgelegt wird. Es wird also von Nutzen sein, wenn diese Fürsten selbst Chronologen sind und eine nicht geringe Kenntnis der Wissenschaft der Zeitberechnung besitzen. 
Aus diesem Grunde, da der Autor des Organums seinem Fürsten in der mathematischen Wissenschaft Unterricht erteilen wollte, glaubte er, den Kirchlichen Cumputus, d. h. die Wissenschaft von der kirchlichen Zeitrechnung, nicht auslassen zu können. Das macht er aber nach seiner Weise nur in aller Kürze.
Damit die Fürsten eine etwas tiefer gehende Kenntnis sowohl der kirchlichen als auch der allgemeinen Chronologie erlangen, bringe ich, nach dem, was der Autor in seinem Büchlein über den kirchlichen Computus geschrieben hat, eine ausführlichere Unterweisung  über jene und schließe eine Unterweisung über die anderen Arten der Chronologie an. 

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