Institut für Mathematik
Lehrstuhl für Didaktik der Mathematik

   

Übersetzung eines Briefes Athanasius Kircher an Herzog August

15-12-1662   (APUG 555 282r,v283r,v)                      Übersicht

Durchlauchtigster Fürst und Herzog des Heiligen Römischen Reiches,

zu unserer großen Freude haben wir kürzlich in Rom Ferdinand Albert [Albrecht], den Sohn Eurer höchstgeschätzten Durchlaucht empfangen. Er ist ein junger Mann mit wahrhaft bemerkenswerten natürlichen Gaben, die in nichts den heroischen Gaben seines Vaters nachstehen. Ich habe von seinem Begleiter Eure gnädigsten Grüße übermittelt bekommen und erfahren, dass Eure Durchlauch ihn mir anvertraut. Soweit Eure Bitte. Nichts wäre mir lieber als diese Gelegenheit, dem Sohn die gleiche Bereitschaft zu sofortigem und willigem Dienst zu zeigen, die ich immer Eurer Durchlaucht erwiesen habe. So beginnen wir auf einem Gebiet Fortschritte zu machen, das Eurer höchsten Durchlaucht sicher nicht missfallen wird. Ich spreche von einer neuen Steganographie, die in einem Kasten untergebracht ist, den Euer Sohn, eine sehr begabte Persönlichkeit, Eurer Durchlaucht in meinem Namen übergeben wird, wenn er in seine Heimat zurückkehrt. Gegenwärtig arbeite ich an einem anderen Thema, von dem ich denke, dass es einen neuen Titel erhalten sollte. Sobald es gedruckt ist, werde ich es Euch als Ausdruck meiner hohen Ehrerbietung senden. Am Ende dieses Buches werdet Ihr im Anhang, mit all Eurem hohen Intellekt, alle die schwierigen Angelegenheiten im Auszug des Trithemius, die Ihr mir schicktet, erklärt finden, die ich mit meinem schwachen Verstand demütig gesucht habe. Um nicht mit leeren Händen bei Eurer Durchlaucht zu erscheinen, sende ich Euch eingeschlossen in diesen Brief den höchsten Schatz, den ich besitze, der mir aus Indien geschickt worden ist und den die Spanier la Piedra dela cobra,  Schlangenstein, nennen, ein höchst wirksames Gegenmittel gegen Gifte, wie mir geschrieben worden ist. Wer dies durch ein Experiment ausprobieren will, der sollte dafür sorgen, dass ein Hund von einer Schlange oder einem anderen giftigen Tier gebissen wird. Sobald der Schlangenstein auf die Wunde gelegt wird, wird er so stark angezogen, dass er kaum weggezogen werden kann. Er bleibt dort so lange kleben, wie noch Gift im Körper ist. Doch wenn er alles Gift herausgesaugt hat, dann fällt er von selbst ab, vollgesaugt mit dem Gift, und hinterlässt den Hund vom Gift befreit. Wirft man den Stein dann in ein mit Milch gefülltes Gefäß, wird er dort das Gift abgeben und wieder seine alte Fähigkeit gewinnen. In Rom gibt es auch einen jungen Deutschen, der wunderbare Geheimnisse hütet. Bei einem unter anderen, weigert er sich, es mir zu verraten, weil er damit seinen Lebensunterhalt verdienen will. Er nimmt einen Stein aus weißem Marmor und benutzt eine alchemische Flüssigkeit, um irgendeine Figur, die er wünscht, darauf zu malen. Schließlich, nach einem Monat zerschneidet er den Marmorstein in Scheiben und gewinnt auf beiden Seiten der Scheiben Kopien der Zeichnung, nachdem die Farbe den Stein durchdrungen hat. Das ist wirklich eine kluge Erfindung, die vom Papst hoch geschätzt wird. Ich würde es gern Eurer Durchlaucht verraten, aber wie gesagt, bewahrt er es höchst geheimnisvoll für sich, es sei denn, man beteiligte sich daran finanziell. Damit und einem Kuss von mir auf die durchlauchtigsten Hände, empfehle ich mich selbst und meine Studien Eurer Durchlaucht.

Lebt wohl, Schmuck der Fürsten und Säule der Gelehrtenrepublik,

Euer höchst demütiger und pflichtbewusster Diener

Athanasius Kircher.

[Fakultät] [Institut für Mathematik] [Mathematikdidaktik]

  Verantwortlich:  Prof. Dr. Hans-Joachim Vollrath, Universität Würzburg
  e-mail: vollrath@mathematik.uni-wuerzburg.de
  Stand: 14. Dezember 2018