Geheimschrift

Vorwort aus:
 Kaspar Schott, Organum mathematicum, Nürnberg 1668
Übersetzung: Pater Alban Müller SJ


Die Steganographie, das ist die Wissenschaft der Geheimschrift, ist den Monarchen der Welt, den Königen, Fürsten, den Regierenden und den Heerführern so sehr von Nutzen und notwendig, daß, allem Anschein nach, ohne sie ihre Würde kaum bewahrt und das anvertraute Amt kaum ausgeübt werden kann. 
Andere Wissenschaften sind ein Schmuck königlichen Geistes, die Geheimschriftkunde begründet ihn. Kein König ohne Regierung, keine Regierung ohne Ratschläge; wohl kaum ist der gegebene oder erhaltene königliche Rat nützlich, wenn er nicht geheim ist. 
Dem Wort: "Dein Wissen taugt nichts, wenn dies nicht auch ein  anderer weiß", wird entgegengehalten: "Dein Wissen taugt nichts, wenn es auch ein anderer weiß". Dies soll Königen und Fürsten gesagt sein; der erste Wort, sage ich von dem, dem gegenüber du offen sein willst. 
Nicht selten müssen Ratschläge dem Fürsten von Abwesenden durch Briefe kundgetan werden, so jedoch, daß nur ihm der Inhalt bekannt wird, anderen jedoch, die diese Briefe lesen, der Inhalt verborgen bleibt. Das ist möglich, wenn man die Technik der Geheimschrift beherrscht, besonders jene, wodurch einer durch einen in einem beliebigen Idiom und über eine beliebige Angelegenheit geschriebenen Brief die Geheimnisse seines Geistes den Menschen der verschiedensten Sprachen, Lateinern, Griechen, Hebräern, Chaldäern, Arabern,Türken, Spaniern, Galliern etc. so darlegen kann, daß, wenngleich der Schreiber und Empfänger des Briefes das Idiom nicht versteht, der Abwesende aber dennoch zur Kenntnis des Geheimnisses kommt, und dabei keine Gefahr besteht, daß andere, die ebenfalls den Brief lesen und verstehen, jenes zur Kenntnis bekommen.

Diese Technik legte der Autor des Organums seinem Fürsten vor. Wir werden sie in diesem Buch ein wenig ausführlicher erklären, obgleich wir schon früher in einem eigenen Werk, das wir Scola steganographica  nannten und im Jahr 1665 herausgegeben haben, darüber geschrieben haben. Wir fügen einige neue Verfahren bei, die uns nach dem Erscheinen des Werkes zur Kenntnis gelangten, besonders eines, das ich, während ich dies schreibe, von dem Hochedlen und Gebildetsten Herrn Gottfried Kinner von Löwenthurn erhielt, des Lobes überaus würdig. Ich kenne noch mehr und mache die genialere Technik der Geheimschrift den großen Fürsten bekannt.


© Deutsche Provinz der Jesuiten

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